Vor 60 Jahren veränderte Lumen gentium die katholische Kirche - Der Anfang vom Ende der Klerikerherrschaft
Vor 60 Jahren beschloss das Zweite Vatikanische Konzil einen Text, der in der katholischen Kirche bis heute nachwirkt. Welches Potenzial in ihm steckt, hat nicht nur Papst Franziskus erkannt.
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)
Wenn neuerdings katholische Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam über die Zukunft der Kirche beraten, berufen sie sich auf ein Dokument, das vor 60 Jahren beschlossen wurde. Es hat die Idee der Kirche von sich selbst grundlegend verändert. Der Text trägt den Titel: Lumen gentium (Das Licht der Völker). Beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurde er am 21. November 1964 beinahe einstimmig beschlossen. Er ist seither der Grundlagentext für die Verfassung der katholischen Kirche.
Auch nach 60 Jahren ragt Lumen gentium wie ein Berggipfel aus einem Nebelmeer unzähliger kirchlicher Dokumente heraus. Ob es das Priestertum aller Getauften ist, das der Synodale Weg in Deutschland ins Feld führt, oder die Berufung aller Mitglieder der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums, die bei der jüngsten Weltsynode im Vatikan oft zitiert wurden- immer wieder ist es der Referenzpunkt.
Doch ausgerechnet der Text über das Wesen der Kirche war auf dem Konzil selbst höchst umstritten. Als einziges der 16 Konzilsdokumente wurde er auf Geheiß von Papst Paul VI. zusammen mit einer nachgeschobenen Note veröffentlicht. Die hielt fest, dass der Primat des Papstes trotz aller im Dokument beschlossenen Reformen unantastbar bleibt. Die weltweiten Bischofssynoden, die Papst Paul VI. erstmals 1967 einberief und die in jüngster Zeit von Papst Franziskus neu gefasst wurden, spiegeln bis heute das wider, was durch Lumen gentium grundgelegt wurde. Theologen fassen es mit dem Begriff „cum Petro et sub Petro“ zusammen. Das bedeutet: Die Synode entscheidet mit- und gleichzeitig unter dem Papst.
Dieses typisch katholische Sowohl-als-auch von Monarchie und Mitbestimmung unterscheidet sich deutlich von protestantischen oder orthodoxen Synoden. Bei ihnen wählen Kirchenparlamente die Oberhäupter und entscheiden mit Mehrheit über kirchliche Gesetze und Lehren. Die Minderheit gründet dann aber auch gerne mal eine eigene Kirche. Denn es gibt dort keinen Papst, der am Ende durch seine verbindliche Autorität den Laden zusammenhält.
Doch das Dokument Lumen gentium befasst sich nicht nur mit der Frage, wie die Mitsprache der Bischöfe und die Autorität des Papstes einander einschränken und ergänzen. Das zweite wichtige Thema ist die Stellung der sogenannten Laien in der Kirche. Hier versucht das Dokument, den Widerspruch aufzulösen, den die Reformatoren messerscharf bloßgelegt hatten: Wenn alle Christen durch die Gnade des Taufsakraments Christus gleich geworden sind, warum dürfen dann nur jene, die außerdem noch die Priesterweihe empfangen haben, die Kirche lehren und leiten?
Für die Konzilsväter im Jahr 1964 war klar, dass sie neue Antworten finden mussten. Sie sollten zwar mit den biblischen Forderungen zu diesem Thema übereinstimmen; dennoch wollten sie die kirchliche Hierarchie und die auf das Priestertum angewiesene Sakramentenlehre der katholischen Kirche nicht zum Einsturz zu bringen.
Wieder versuchten es die Konzilstheologen mit einem Sowohl-als-auch.
Einerseits, so die Lösung, partizipieren alle Christen durch die Taufe an der priesterlichen, prophetischen und königlichen Sendung Christi. Auch jene, die nicht zum Priester geweiht sind, haben also bereits durch die Taufe Anteil am gemeinsamen Priestertum.
Doch daneben gibt es ein besonderes Priesteramt, das mit der Rolle der Hirten ausgestattet ist. Die göttliche Vollmacht, in besonderer Weise im Gottesdienst in Person Christi zu handeln, haben nur jene, die eine Weihe erhalten haben, also die Kleriker. Und sie verwalten die Aufgaben des Verkündens, der Heiligung und der Leitung in besonderer Weise.
Das Potenzial, das in der Formulierung vom gemeinsamen Priestertum der Getauften enthalten ist, hat seine volle Wirkung erst beim Reformprojekt Synodaler Weg in Deutschland entfaltet und zu neuen Konflikten mit Rom geführt. Aber auch in der jüngsten Weltsynode im Vatikan diente diese Idee zur Legitimierung von Reformideen.
Hinzu kam dort eine weitere Lehre, die 60 Jahre zuvor erstmals in Lumen gentium entwickelt wurde. Es ist die Idee, dass die Kirche nicht in erster Linie eine unveränderbare Hierarchie ist, sondern ein pilgerndes Gottesvolk. Und in dem sind alle Glieder- also auch die Laien- gemeinsam unterwegs und machen das aus, was und wie die Kirche ist.
Papst Franziskus hat diesen Begriff kreativ erweitert. Nach seinem Willen soll das gesamte Gottesvolk mit an Entscheidungsprozessen über die Zukunft der Kirche beteiligt werden. Verwirklicht hat er dies ansatzweise, indem er zu den Versammlungen der weltweiten Bischofssynode neben Klerikern auch Laien berief.
Bei der Weltsynode hat sich im Oktober gezeigt, dass auch diese Lehre aus dem Dokument Lumen gentium noch Potenzial hat, die Gestalt und das Leben der Kirche zu verändern.
Katholische Kirche würdigt NS-Märtyrer Max Josef Metzger
Sehnsucht nach Frieden ist drängender denn je
Erstmals gab es in Freiburg eine Seligsprechung. Papst Franziskus schickte Kardinal Kurt Koch, um den Pazisten Max Josef Metzger (1887-1944) selig zu sprechen. Hunderte Gläubige erlebten eine stimmungsvolle Zeremonie.
Von Volker Hasenauer (KNA)
Dichter Weihrauchnebel weht durchs Freiburger Münster. Die Domsingknaben und Domkapellmeister Boris Böhmann stimmen festliche Klänge an. Dann verliest der Basler Kardinal Kurt Koch im Auftrag von Papst Franziskus die Seligsprechungsurkunde. Die Gläubigen applaudieren.
Seit Sonntagmittag hat die katholische Kirche einen neuen, als Glaubensvorbild, Friedensvisionär und Märtyrer anerkannten Seligen: Max Josef Metzger (1887-1944). Kardinal Koch, im Vatikan selbst für den weltweiten Dialog zwischen Kirchen und Religionen mitverantwortlich, würdigte Metzger als prophetischen Kämpfer für Frieden und für Einigkeit zwischen den Christen. Metzger sei heute Vorbild dafür, in einer zerrissenen Welt im Widerspruch zu grassierenden Ideologien zu leben - aus dem christlichen Glauben heraus. „Bitten wir den seligen Max Josef Metzger in der himmlischen Welt der Märtyrer um Fürsprache“, sagte Koch. Beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz in Rom erinnerte Papst Franziskus persönlich an den neuen Seligen.
Das Seligsprechungsverfahren für den aus Schopfheim (Landkreis Lörrach) stammenden Metzger dauerte mehr als 18 Jahre. Lange sah es so aus, als ob der Freiburger Antrag in der Vatikanbürokratie verschwunden war. Doch vor wenigen Monaten folgte die überraschende Nachricht: Der Papst wird Metzger als neuen Seligen und Glaubensvorbild auszeichnen.
Zur Seligsprechungszeremonie, der ersten überhaupt im Freiburger Münster, kamen nun Hunderte Gläubige aus ganz Deutschland und Österreich. Aus dem Bistum Augsburg, wo Metzger mehrere Friedensorganisationen gründete; aus Berlin, wo er 1944 als ehrloser Volksverräter hingerichtet wurde und aus Graz, wo er lange lebte.
Im Ersten Weltkrieg hatte Metzger am berüchtigten Schlachtfeld des Hartmannswillerkopf in den Vogesen die mörderischen Kriegsgräuel erfahren. Er blieb nur wenige Monate als Militärpfarrer an der Front. In Graz und später in Meitingen bei Augsburg wandelte er sich zum Pazifisten und setzte sich seitdem für weltweiten Frieden ein. Manches klingt heute naiv; seine Energie und Beharrungsvermögen zeichneten ihn aus.
Mich beeindruckt, mit welcher Konsequenz er sein Leben lang für Frieden gekämpft hat, sagte die Regensburger Theologin Sabine Demel von der Friedensbewegung Pax Christi am Rande der Seligsprechung. Wie schwierig es ist, pazifistische Politik zu vertreten, erleben wir gerade heute erneut. Spannend ist für Demel auch Metzgers Engagement für die europäische Sprache Esperanto. Er hat früh erkannt, dass eine gemeinsame Sprache ein Mittel für Versöhnung ist.
Im Festgottesdienst- auch das dürfte eine Premiere bei einer katholischen Seligsprechung gewesen sein- würdigte eine evangelische Landesbischöfin den neuen Seligen. In aktuell aufgeheizten und polarisierten Debatten brauche es hörbare Stimmen für Frieden und Einheit, sagte die badische Bischöfin Heike Springhart. Angesichts der tiefen Gräben und des Bombenhagels in Gaza, im Libanon und in der Ukraine, angesichts der bedrängenden Polarisierung in unserem Land, in den USA, in Argentinien und in Europa ist die Sehnsucht nach Frieden und Einheit drängender denn je.
Auch von einer ersten Verhaftung und nationalsozialistischer Einschüchterung hatte sich Metzger nicht von seinen Überzeugungen abbringen lassen. So verfasste er beispielsweise eine Denkschrift über ein neues Deutschland, das nach dem Zweiten Weltkrieg in ein vereintes, christliches Europa eingebunden sein sollte. Diese Schrift übergab Metzger an eine Vertraute, die in Wahrheit Gestapo-Agentin war.
Die NS-Geheimpolizei verhaftete Metzger dann im Juni 1943. Am 17. April 1944 wurde der Geistliche in Brandenburg Görden durch das Fallbeil hingerichtet- nach einer Verurteilung als Volksverräter in einem NS-Schauprozess. Die Hinrichtungstermin erhielt er nur zwei Stunden vor der Vollstreckung. Noch in der Todeszelle schrieb er hoffnungsvolle Texte, Briefe und Lieder. Ein von Metzger komponiertes Lied kam in der Seligsprechungszeremonie nun erstmals zur Aufführung.
Militärbischof: Gewaltsamer Widerstand gegen Putin ist vertretbar
Gerechter Krieg: Der katholische Militärbischof Overbeck hält Waffengewalt der Ukraine gegen Russland für gerechtfertigt. Er sieht keine andere Möglichkeit, um Putin Widerstand zu leisten.
(KNA)
Gewaltsamer Widerstand der Ukraine gegen die russischen Angriffe ist nach Auffassung des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck gerechtfertigt. Man kann den Einsatz von militärischer Gewalt nicht gut heißen, aber als letztes Mittel ist er manchmal unvermeidbar, ohne dass die Gewalt an sich dadurch gut wird, sagte der Essener Bischof in einem Interview der Rheinischen Post in Düsseldorf.
Der russische Angriffskrieg hat nun endgültig eine schon länger gefährdete internationale Ordnung gefährlich geschwächt, so Overbeck. Daher müsse zwar der gerechte Frieden das Ziel bleiben. Daneben müsse sich die Gesellschaft auch wieder verstärkt mit den Kriterien eines gerechten Kriegs beschäftigen.
Dem Geistlichen zufolge heißt das nicht, dass nur noch einer militärischen Logik gefolgt würde. „Aber, weil der Krieg eine von außen aufgezwungene Realität ist, müssen wir uns dazu verhalten- und zwar ethisch abgewogen und verantwortlich. Denn es gibt keine andere Möglichkeit, einem Diktator wie Putin Widerstand zu leisten. Das kann nicht nur mit Worten geschehen.“ Overbeck räumte ein, dass Gewalt immer dazu verführen könne, noch mehr Gewalt anzuwenden. „Von daher bin ich mir bewusst, welch hohe Verantwortung ich übernehme, dies zu begründen. Darin sehe ich übrigens unter anderem auch meine Aufgabe als Militärbischof in diesen Zeiten.“
Novemberpogrome von 1938 - Als in Deutschland die Synagogen brannten
Ein Ereignis mit Vor- und Nachgeschichte
Am Samstag, dem 9. November, wird an vielen Orten in Deutschland der Novemberpogrome von 1938 gedacht. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zeigt, wie wichtig es ist, sich gegen alle Formen von Judenhass zu stellen.
Von Christoph Arens (KNA)
Zersplitterte Schaufenster, brennende Synagogen und Hunderte Tote: Der 9. November 1938 gilt als Zivilisationsbruch. Genau 86 Jahre ist es her, dass bei den Novemberpogromen der Nationalsozialisten, damals zynisch als Reichskristallnacht bezeichnet, mehr als 1.300 Menschen ermordet wurden. Über 1.400 Synagogen und Beträume wurden verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert. Mehr als 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht.
Die Wunden von damals werden immer wieder aufgerissen. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat bei vielen Juden in Deutschland alte Ängste wiedererweckt. Bis heute müssen jüdische Einrichtungen von der Polizei bewacht werden. Terroranschläge auf Synagogen wie in Halle 2019 oder Oldenburg 2024 sorgen für Entsetzen.
Bis heute geht es auch darum, damals zerstörte jüdische Gotteshäuser wieder aufzubauen: Seit Oktober 2023 wurden Synagogen in Potsdam, Kiel, Magdeburg und Dessau wiedereröffnet - Symbole der Hoffnung.
Mehr als 100 für den Gottesdienst genutzte Synagogen und 31 Betsäle gibt es derzeit in Deutschland. Über 3.000 waren es vor 1933.
Der Sturm begann nachts halb drei Uhr, berichtete die Neue Zürcher Zeitung im November 1938 über die Ereignisse in Berlin. Dunkle Gestalten durchzogen die Straßen und eröffneten mit Pflastersteinen ein Bombardement auf die Schaufenster...Die Polizei blieb unsichtbar und antwortete auch nicht auf telefonische Anrufe der verängstigten Geschäftsinhaber.
Am Abend des 9. November 1938 vollzog sich in Deutschland der bis dahin größte Pogrom der Neuzeit in Mitteleuropa. Nur wenige Meter entfernt von der Münchner Synagoge hatte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in einem Bierkeller das Signal zum Losschlagen gegeben. In seiner Hetzrede zum Gedenken an den Hitlerputsch vom 9. November 1923 wiegelte er die Parteigenossen auf. Stürmischer Beifall, notierte er in sein Tagebuch. Alles saust gleich an die Telefone. Nun wird das Volk handeln. SS Gruppenführer Reinhard Heydrich schob später ein Telegramm hinterher mit der Bitte, deutsches Leben und Eigentum zu verschonen, z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist.
Als Anlass für den vermeintlichen Ausbruch des Volkszorns nutzten die Nazis die Ermordung des deutschen Botschaftsangehörigen Ernst vom Rath durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan am 7. November 1938 in Paris. Er wollte damit gegen die Abschiebung seiner Familie aus Deutschland protestieren. Schon einen Tag nach dem Attentat ereiferte sich der Völkische Beobachter darüber, dass in Deutschland Hunderttausende von Juden noch ganze Ladenstraßen beherrschen.
Obwohl die meisten Ausschreitungen am 9. November stattfanden, dauerten die Ereignisse länger: An einigen Orten brachen die ersten Unruhen schon in der Nacht des 7. November aus. Gewaltexzesse gab es bis zum 13. November. Körperliche Übergriffe, Einschüchterung und Entrechtung von Juden waren in Deutschland bereits seit der Machtergreifung Hitlers 1933 an der traurigen Tagesordnung. Die Nürnberger Gesetze legten seit 1935 fest, wer Jude war, viele hatten plötzlich Berufsverbot. Weitere Gesetze beschränkten den Zugang zu öffentlichen Räumen, jüdisches Eigentum wurde enteignet - arisiert. Für die Schäden des Novemberpogroms mussten die Juden selbst aufkommen. Die Reichsregierung verlangte auch noch eine Kontribution in Höhe von einer Milliarde Reichsmark als vermeintliche Sühneleistung.
Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung jüdischer Deutscher hin zur systematischen Verfolgung und zur Schoah. Von den Novemberpogromen führte der Weg nach Auschwitz, Treblinka und Buchenwald.
Am 9. November 1938 änderte sich alles, schrieb der Historiker Wolfgang Benz. Der Leiter des Zentrums für Holocauststudien in München, Frank Bajohr, interpretiert den Pogrom als Zeichen dafür, dass die Nazis sich sicher fühlten. Im März 1938 hatte die Mehrheit der Österreicher den Anschluss an das Deutsche Reich bejubelt, im Oktober hatte Deutschland das Sudetenland besetzt. Hitlers Position war gefestigt. Das Ausland nahm die Ereignisse hin. Zwar gab es weltweit viel Mitleid mit den Juden. Aber nur wenige Länder waren bereit, jüdische Auswanderer in größerer Zahl aufzunehmen.
35. Jahrestag des Mauerfalls mit Akzentverschiebungen - Friedliche Revolution 1989- bedrohte Freiheit heute
In Berlin erinnern verschiedene Veranstaltungen an den Fall der Mauer vor 35 Jahren. Dabei spielen auch die Ängste und Probleme der Gegenwart eine Rolle.
Von Stefan Meetschen (KNA)
Am 9. November vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer. Die Bilder von damals sind bis heute im kollektiven Gedächtnis. Zum Jubiläum ist in der Hauptstadt am Freitag und Samstag dort, wo einst die Mauer stand, eine etwa vier Kilometer lange Open-Air-Installation mit alten und neuen Schildern und Transparenten rund um das Thema friedliche Revolution zu sehen. Motto: Haltet die Freiheit hoch!
Damit wollen die Veranstalter nach eigenem Bekunden die zentralen Werte der friedlichen Revolution- Freiheit, Demokratie und Menschenrechte- mit dem aktuellen Anliegen der Erhaltung dieser Werte verknüpfen.
Eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber früheren Gedächtnisfeiern zum Mauerfall nimmt der Berliner Historiker Michael F. Feldkamp wahr. Er sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), früher hätten Fragen, wie es zu diesen folgenschweren Entwicklungen in der DDR kam, im Mittelpunkt gestanden: In diesem Jahr, 35 Jahre nach dem Zerfall der DDR, ziehen wir naturgemäß Bilanz. Dabei werde ein Auseinanderbrechen des gesellschaftlichen Zusammenhalts konstatiert und angesichts der Wahlergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt- ganz im Schubladendenken verhaftet, so Feldkamp - dem Osten Deutschlands die Schuld dafür zugewiesen. Ein kritischer Blick ist sicherlich notwendig, aber wir müssen auch analysieren, wie es zu diesen Entwicklungen gekommen ist, die bei näherer Betrachtung sich dann genauso in den Ländern der 'alten Bundesrepublik' abzeichnen.
Laut einer aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur bezeichnet mehr als jeder Zweite den 9. November 1989 als den glücklichsten Tag der deutschen Geschichte. Wobei Ostdeutsche dies mit 50 Prozent etwas weniger als Westdeutsche mit 54 Prozent so sehen. Bei den Jüngeren unter 30 Jahren sind 64 Prozent dieser Ansicht. Gleichzeitig empfinden 31 Prozent der Befragten, dass die Leistungen und Erfahrungen ehemaliger DDR-Bürger heute ausreichend gewürdigt werden. Besonders stark ist dieses Gefühl im Osten Deutschlands aus geprägt, wo Dreiviertel der Befragten die Anerkennung als unzureichend empfinden.
Die Direktorin der Bundesstiftung, Anna Kaminsky, sieht hierin einen wichtigen Anlass zum Handeln: Der 35. Jahrestag des Mauerfalls sollte ein Anstoß sein, um den Mut der Ostdeutschen zu würdigen, die zum Sturz der Diktatur beigetragen haben.
Zugleich müssen die Anstrengungen und Leistungen nach 1990 gewürdigt werden; einer Zeit, die viele Jahre von sozialer Unsicherheit geprägt war.
Jesuiten starten Spiritualitätsmediathek
Im Internet gibt es unzählige spirituelle Angebote- eine neue Plattform der Jesuiten versucht nun, einige dieser Angebote zu bündeln Ludwigshafen
(KNA)
Am Montag ist die Plattform kirche.org online gegangen. Ziel der Plattform ist es, Kirche neu erlebbar und leicht zugänglich zu machen, teilte das Bistum Speyer mit.
Der digitale Glaubensort ist mit den Worten reflektiert, ignatianisch, digital überschrieben. Menschen, die auf der Suche nach Gott, dem Sinn des Lebens oder Orientierung in Fragen von Gott und der Welt sind, finden hier eine verlässliche Plattform mit vielfältigen Angeboten, die zu ihrem individuellen Weg passen, heißt es in der Mitteilung des Bistums.
Die Internetseite bündelt Videos, Impulse und Podcasts von Jesuiten aus dem deutschsprachigen Raum. Auch Glaubenskurse und Austausch sollen auf der Plattform stattfinden. Finanziert wird das Projekt laut eigenen Angaben durch private Spender. Zudem fallen für einige Inhalte Zusatzkosten an, die die Plattform finanzieren sollen. An dem Projekt sind neben dem der Katholischen Akademie Rhein-Neckar Heinrich Pesch Haus auch die Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, das schweizerische Lassalle-Haus in Bad-Schönbrunn und die Jesuiten-Initiative Einfach Beten beteiligt.
Hier geht´s zur Seite: https://kirche.org/
Warum junge Menschen aus Afrika nach Europa streben - Zahlen und Fakten rund um das Thema Migration
Migration ist seit Monaten das Reizwort schlechthin in der politischen Debatte. Häufig klingt es so, als ob vor den Toren Europas Millionen Afrikaner auf Einlass warten würden. Die Realität ist jedoch eine andere.
Von Katrin Gänsler (KNA)
Aspekte rund um Migration und Abschiebung sind in Deutschland zentrale Themen der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Die vielfältigen Gründe für die Migration speziell aus afrikanischen Ländern werden jedoch kaum beleuchtet. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet in diesem Zusammenhang einige der wichtigsten Fragen.
Wie viele Menschen kommen jährlich ohne Visum oder Aufenthaltstitel nach Europa?
Die zahlreichen Statistiken sind nicht immer vergleich bar. Laut der Internationalen Organisation für Migration registrierten die italienischen Behörden für das zweite Quartal 2024 fast 14.599 Ankünfte und somit 61 Prozent weniger als im zweiten Quartal 2023 (37.824). Insgesamt kamen im ersten Halbjahr 2024 gut 26.000 Menschen an, während es in Griechenland gut 18.200 und in Spanien knapp 25.000 waren. Insgesamt wurden knapp 80.000 Personen gezählt, die über das Mittelmeer auf dem europäischen Festland sowie auf den Kanarischen Inseln ankamen.
Sind die Zahlen genau?
Es ist unklar, wie viele Menschen bei der Überfahrt von West- und Nordafrika nach Europa sterben. Von Januar bis Juni erreichten 25 Boote ihr Ziel Kanarische Inseln nicht. Da in der Regel Schlepper die Fahrten organisieren, gibt es keine Passagierlisten. Auch informieren viele Migranten ihre Familien nicht. Wenn die meist jungen Menschen verschwinden und sich später beispielsweise nicht aus Spanien melden, bleibt ihr Schicksal unklar.
Steigen die Zahlen zurzeit immer weiter?
Auch wenn Wahlkampfrhetorik bisweilen einen Anstieg der Zahlen vermuten lässt: Sie sinken. Laut der europäischen Grenzschutzagentur Frontex ist die Zahl der irregulären Grenzübertritte in die EU in den ersten acht Monaten 2024 um 39 Prozent gesunken. Genau 139.847 wurden gezählt. Allerdings ändern sich die Routen. So nehmen Boote aus Marokko, Senegal, Gambia und Guinea zunehmend Kurs in Richtung Kanarische Inseln. 2023 kamen dort knapp 40.000 Menschen an.
Wie viele Menschen wollen Afrika verlassen?
Auch darüber gibt es keine gesicherten Daten. In Nigeria, wo geschätzt 230 Millionen Menschen leben, betonen zwar viele, dass sie ihr Land gerne in Richtung Europa oder USA verlassen möchten. Die wenigsten setzen das Vorhaben je doch um. Das ist in Ghana ähnlich. 2017 sagte etwa jeder dritte Ghanaer, innerhalb von ein oder zwei Jahren auswandern zu wollen; gleichzeitig plante nur jeder zehnte tatsächlich die Auswanderung.
Aus welchen Ländern stammen die Migranten?
Unter jenen, die ohne Papiere in die EU einreisen, sind zu nehmend Afrikaner. 2023 machten Personen aus West- und Zentralafrika 39 Prozent aus; 2022 lediglich 17 Prozent. Relativ häufig wurden Menschen aus Guinea, der Elfenbeinküste, Mali und Senegal registriert.
Warum verlassen junge Menschen ihre Heimatländer?
In einigen Regionen im Senegal hat Migration eine lange Tradition und gehört für junge Männer zum Erwachsenwerden dazu. Zentral ist sie auch in der Gegend rund um die Stadt Kayes im Nordwesten Malis.
2007 wurde geschätzt, dass 80 Prozent der in Frankreich lebenden Malier von dort stammen. Als Grenzkontrollen noch nicht so streng waren und Visa häufiger erteilt wurden, wurden auch Pässe innerhalb von Familien weitergereicht. Migranten blieben einige Jahre, gingen zurück, und jüngere Geschwister oder Cousins kamen nach. In Frankreich teilten sich Menschen nicht selten entsprechende Papiere.
Was sind weitere Gründe für die Abwanderung?
Geld und Prestige: In Benin City in Nigeria lassen sich vielerorts alte Elektrogeräte und Möbel aus Europa kaufen; von Nigerianern aus Europa geschickt. Das bringt zusätzliches Einkommen; gleichzeitig gilt es als Statussymbol: Familien haben jemanden in Europa. Auch politische Repressionen und Perspektivlosigkeit verstärken den Wunsch, die Heimat zu verlassen.
Welche wirtschaftliche Rolle spielt Migration?
Rund um Kayes wurden mitunter ganze Dörfer mithilfe von Rücküberweisungen der Migranten aufgebaut. Die meisten Menschen leben von der Landwirtschaft und arbeiten im informellen Sektor. Auch aufgrund des Klimawandels mit Trockenperioden und Starkregen wird das zunehmend schwierig. Überdies mangelt es an Möglichkeiten, Kredite für Investitionen zu bekommen, etwa für Bewässerungsanlagen. Gleichzeitig wächst überall in Westafrika die Bevölkerung; in Niger beispielsweise jährlich um knapp 3,7 Prozent.
Schreckt die Einführung der Bezahlkarte in Deutschland Migranten ab?
Gerade in ländlichen Regionen Afrikas sind auch 50 Euro- die vorgesehene Bargeld-Obergrenze- viel Geld. In Guinea gelten beispielsweise zwei von drei Menschen als mehrdimensional arm. Für diese Statistik werden mehrere Indikatoren in den Kategorien Bildung, Gesundheit und Lebensstandard ausgewertet. Ganze Länder hängen stark von den Rücküberweisungen aus dem Ausland ab. Im Jahr 2022 machten sie in etwa Gambia 28 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Rücküberweisungen sind für einzelne Länder weitaus bedeutsamer als zugesagte Gelder im Rahmen von Migrationsabkommen.
Wollen die afrikanischen Migranten immer nach Europa?
Nein. Das ist eher die Ausnahme. Migration findet vor allem auf regionaler Ebene statt. Wegen teils willkürlich gezogener Staatsgrenzen gibt es bis heute in vielen Ländern Afrikas keine nationale Identität. In der Elfenbeinküste leben etwa 2,2 Millionen Migranten. Das Land gilt als wirtschaftliches Zentrum im frankophonen Westafrika. Menschen, die die Sahara durchqueren, bleiben auch in Nordafrika, weil sie schon dort mehr Geld verdienen können.
Vatikan fordert Einhaltung des Völkerrechts
Kriege und Konflikte beherrschen den Alltag von Millionen Menschen. Daran erinnerte Pietro Parolin, Nummer zwei im Vatikan, vor den Vereinten Nationen in New York. Die Armen seien fast immer Opfer, nie die Schuldigen.
New York (KNA)
Der Heilige Stuhl ist nach Aussage von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zutiefst besorgt über die steigende Zahl von Kriegen weltweit sowie die Schwere der Gewalt. Es scheint, dass 75 Jahre nach der Ratifizierung der Genfer Konventionen das humanitäre Völkerrecht immer noch untergraben wird, kritisierte er in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am Samstag in New York.
Die Konflikte führten zu einem erheblichen Verlust unschuldiger Menschenleben und Schäden an der zivilen Infrastruktur, einschließlich Gotteshäusern, Bildungseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen. Lediglich auf Verstöße hinzuweisen, reiche jedoch nicht aus. Es gehe darum, sie zu ve hindern, sagte die Nummer zwei im Vatikan und zitierte damit Papst Franziskus.
So erfordere der russische Krieg in der Ukraine ein dringendes Handeln, um eine Eskalation zu verhindern und einen Weg zu einer gerechten und friedlichen Lösung zu ebnen. Auch fordere der Heilige Stuhl einen sofortigen Waffenstill stand in Gaza und im Westjordanland sowie die Freilassung der israelischen Geiseln. Die einzige praktikable Lösung sei eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem Sonderstatus für Jerusalem.
Parolin erinnerte ferner an den Krieg im Sudan, Konflikte im Südsudan, in Mosambik und Haiti sowie die politische Krise in Venezuela.
Weltweit stellten 450 bewaffnete Gruppen ein Sicherheitsrisiko dar, so Parolin weiter. Nichtstaatliche Akteure kontrollierten Gebiete, in denen 195 Millionen Menschen lebten. Es ist zwingend erforderlich, dass gewalttätige nichtstaatliche Akteure eine konstruktive Zusammenarbeit mit Staaten anstreben, Gewalt und Terrorakten abschwören und in die Legalität eintreten. Gleichzeitig seien Staaten in der Verantwortung und müssten Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit fördern, da mit solche Gruppen gar nicht erst entstehen. Vor allem müsse der Hunger, eine Geißel, die noch immer ganze Gebiete unserer Welt heimsucht, ausgerottet werden.
In der Vergangenheit habe es jedoch andere Prioritäten gegeben. In den letzten Jahren sei die vorherrschende Tendenz gewesen, das Wachstum der Militärausgaben aufrechtzuerhalten. Der Kardinalstaatssekretär erinnerte auch an den Appell des Papstes an die reichen Länder. Sie müssten die Schwere so vieler ihrer früheren Entscheidungen anerkennen und sich dazu entschließen, die Schulden der Länder zu erlassen, die diese niemals zurückzahlen könnten. Dies ist mehr als eine Frage der Großzügigkeit, es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Auch gebe es eine ökologische Schuld, insbesondere zwischen dem Norden und dem Süden der Welt. Sie hänge mit der unverhältnismäßigen Nutzung natürlicher Ressourcen durch bestimmte Länder über lange Zeiträume zusammen. Die Armen seien fast immer die Opfer, betonte Parolin.
Rotes Kreuz mit neuen Vorschlägen für soziales Pflichtjahr
Beratungsangebote, Entlohnung, einheitliche Standards: Das Deutsche Rote Kreuz erklärt, wie es sich ein mögliches soziales Pflichtjahr vorstellt.
Berlin (KNA)
In der Debatte über ein soziales Pflichtjahr hat das Deutsche Rote Kreuz neue Vorschläge gemacht. Die Idee ist, dass alle jungen Menschen angeschrieben werden und (digitale) Beratungsangebote erhalten, erklärte die Organisation am Samstag in Berlin. Dazu gehörten Angebote von Trägern des Freiwilligendienstes. Diejenigen, die sich für ein Pflichtjahr entscheiden, sollen demnach nach einheitlichen Standards anerkannt werden sowie auch ein Freiwilligendienstgeld angelehnt an den BAföG-Satz bekommen. Für die Bundeswehr gälten eigene Bestimmungen.
Die Freiwilligendienste erhalten nach Vorstellungen des Deutschen Roten Kreuzes eine verbindliche staatliche Finanzierung. Diese solle auch den Aufbau von Beratungsstrukturen und eine pädagogische Begleitung umfassen. Die Kosten seien mit rund 2,7 Milliarden Euro zu veranschlagen und damit weit geringer als alle Pflicht/Wehrdienstkonzepte, hieß es. Und: Bundeswehr und Zivilgesellschaft würden profitieren; die Gesellschaft würde zukunftsfähig, resilient und wehrhaft.
Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, erklärte: Wir brauchen angesichts der großen Herausforderungen, die auf uns zukommen, künftig noch mehr zivilgesellschaftliches Engagement. Das Jahr für die Gesellschaft ist eine Antwort darauf: pragmatisch, kostengünstig, freiwillig und ein Gewinn für alle. Ziel sei, dass sich alle jungen Menschen unabhängig vom Geldbeutel für die Gesellschaft engagieren könnten. Immer wieder wird in Deutschland über die Einführung eines sozialen Pflichtjahres debattiert. Vor allem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier macht sich dafür stark.
Hier geht es zu den Ideen der GKS zu diesem Thema Allgem. Gesellschaftsdienst
Weltsynode in Rom
Den ganzen Oktober tagt die Weltsynode in Rom. Es ist der zweite Teil der Weltsynode und sie soll in dieser Beratung auch ihren Abschluss finden.
Wir wollen in loser Reihenfolge unter dem Motto „Reingeschaut“ immer wieder von Ereignissen, Ergebnissen, Beratungen, Stimmungen berichten.
Kurze Erklärung: Weltsynode (KNA)
Als Weltsynode wird im deutschen Sprachraum ein weltweites Beratungsforum der katholischen Kirche bezeichnet, das Papst Franziskus für die Jahre 2021 bis 2024 einberufen hat. Das Thema lautet „Für eine synodale Kirche- Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“. In anderen Sprachen wird das Ereignis meist als Synode über Synodalität bezeichnet. Die offizielle Bezeichnung lautet: 16. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode.
Dennoch handelt es sich wegen der stimmberechtigten Teilnahme von zahlreichen Nichtklerikern um ein neuartiges Beratungsforum, das es so noch nie in der katholischen Kirchengeschichte gab. Nach einer lokalen und einer kontinentalen Beratungsphase kam im Oktober 2023 erstmals eine globale Synodal Versammlung im Vatikan zusammen.
An der zweiten und finalen Runde im Oktober 2024 nehmen 368 Synodale teil, 272 sind Bischöfe und Kardinäle, etwa ein Achtel der Teilnehmer sind Frauen.
Über das Schlussdokument wird am 26. Oktober ab gestimmt. Es werden Beschlüsse erwartet, die veränderte Beratungs- und Entscheidungsstrukturen in der Kirche herbeiführen werden. Die Voten der Synode werden dem Papst zur Entscheidung vorgelegt. Inhaltliche Fragen wie die Ehelosigkeit der Priester oder die Stellung von Frauen in der Hierarchie hat Papst Franziskus bereits im Vorfeld an Expertengruppen verwiesen. Deren Zwischenberichte sollen bei der Synode gehört werden.
Die katholische Weltsynode auf der Zielgeraden - Beschlüsse können weitreichende Folgen haben
Seit 2021 debattieren Bischöfe, Theologen und Laien über eine grundlegende Reform der katholischen Kirche. Gemeinsames Beraten soll künftig die Kleriker-Macht ersetzen. Bald stimmt die Weltsynode darüber ab.
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) Vatikanstadt (KNA)
Knapp vier Wochen lang wird in Rom eine weltweite Synode tagen und über eine grundlegende Reform der katholischen Kirche beraten. Sie beginnt am 2. und endet am 27. Oktober.
Beraten und abstimmen werden 368 Synodale aus allen Erdteilen, 272 davon sind Bischöfe, knapp ein Achtel sind Frauen. Letzteres ist ein Novum in der katholischen Kirchengeschichte.
Die Teilnehmer werden an runden Tischen sitzen und gleichberechtigt reden. Nur Vorschläge, die eine Zweidrittelmehrheit erhalten, werden am Ende dem Papst zur Entscheidung vorgelegt.
Beobachter erwarten zunächst keine sensationellen Entscheidungen bei strittigen Fragen wie Zölibat oder Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern. Papst Franziskus hat vorab entschieden, dass diese Fragen von externen Arbeitsgruppen debattiert werden sollen. Diese Arbeitsgruppen werden zu Beginn der Synode Zwischenberichte abgeben, die aber nicht direkt in die Debatten und Beschlüsse der Synode einmünden sollen. Vorschläge wie die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern hätten angesichts der Zusammensetzung der Synode vermutlich ohnehin keine Zweidrittelmehrheit erhalten.
Doch auch ohne diese Themen ist die von Papst Franziskus vorgegebene Aufgabe für die Synode spannend: Es geht darum, Wege zu einer synodalen Kirche zu finden und die se Wege vom Vatikan über die Bistümer bis hinunter in die Gemeinden zu verwirklichen. Dazu müssen, wie es im Vorbereitungstext heißt, klerikale und intransparente Beratungs- und Entscheidungswege überwunden werden. An ihre Stelle sollen gemeinschaftliche Beratung, Transparenz und Rechenschaftspflicht treten. An denen mangelte es in der katholischen Kirche bisher oft wodurch Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und Vertuschung von Straftaten begünstigt wurden.
Wohl auch deshalb hat Papst Franziskus überraschend angeordnet, dass am 1. Oktober am Vorabend der Synode ein Bußakt im Vatikan stattfinden soll. Dabei soll die Kirche öffentlich Verfehlungen eingestehen - auch solche im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs.
Deutsche Bischöfe setzen Hoffnungen auf Weltsynode im Vatikan
Vom 2. bis 27. Oktober beraten bei der Weltsynode im Vatikan rund 360 kirchliche Delegierte. Die große Mehrheit sind Bischöfe. Aber auch andere Vertreter von kirchlichen Gruppen sind dabei, darunter etwa 50 Frauen. Aus Deutschland wurden nur Männer in die Synode berufen. Wie soll die katholische Kirche in Zukunft aussehen? Darum geht es bei der Weltsynode ab dem 2. Oktober.
Als Delegierte der Bischofskonferenz fahren Bätzing, Genn, Meier, Oster und Overbeck nach Rom. Diese fünf teil nehmenden deutschen Bischöfe formulieren nun ihre Ziele und Erwartungen.
Von Bernward Loheide und Volker Hasenauer (KNA)
Vor Beginn der katholischen Weltsynode in Rom haben sich deutsche Bischöfe für Reformen und klare Weichenstellungen ausgesprochen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck forderte mehr Entscheidungsspielräume für nationale Bischofskonferenzen. Einzelfragen kirchlichen Handelns sollten künftig in verschiedenen Ländern unterschiedlich beantwortet werden können, sagte Overbeck. Hier müssen den Bischofskonferenzen deutlich mehr Kompetenzen zuerkannt werden.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hofft vor allem auf mehr Gleichberechtigung von Frauen: Es komme darauf an, Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens einschließlich der Leitung stärker einzubeziehen. Dies müsse im Kirchenrecht abgesichert werden, sagte Bätzing.
Der Münsteraner Bischof Felix Genn will sich in Rom für klare Weichenstellungen einsetzen. Die aufgeworfenen Fragen verlangen nach Antworten, sagte Genn. Wichtig sei eine transparente Debatte, auch bei den aus der Synode in Arbeitsgruppen ausgelagerten Themen wie der Gleichberechtigung von Frauen. Genn wird selbst eine solche Arbeitsgruppe leiten. Dabei geht es um die Rechte und die Wahl von Bischöfen.
Der Passauer Bischof Stefan Oster erinnerte an die hierarchische Grundstruktur der katholischen Kirche, die Papst und Bischöfen zentrale Entscheidungen vorbehalte. Die Weltsynode werde daher über das Ineinander einer synodalen und einer zugleich hierarchischen Kirche beraten. Entscheidend seien ein neuer Aufbruch und ein neuer Stil, miteinander Kirche zu sein.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier sagte, Kernüberzeugung des weltweiten synodalen Wegs sei es, die Kirche nicht durch einsame Entscheidungen der Bevollmächtigten von oben nach unten zu leiten. Vielmehr gehe es um Teilhabe, Transparenz, Offenheit und Rechenschaft für Entscheidungen.
Theologe Söding: Kirchen müssen wieder politische Stimme erheben Flagge zeigen- für Menschenrechte, Frieden und Nächstenliebe.
Kirche muss sich in die Politik einmischen, meint der katholische Theologe Thomas Söding. Eine bestimmte Art des Predigens findet er jedoch peinlich.
Münster (KNA)
Die Kirchen müssen nach Ansicht des katholischen Theologen Thomas Söding wieder eine relevante Stimme im politischen Diskurs werden. Sie dürfen sich nicht in eine gesellschaftliche Nische zurückziehen, sondern müssen Flagge zeigen für Menschenrechte, für inneren und äußeren Frieden, für Solidarität und Nächstenliebe, sagte der Bibel-Wissenschaftler. In der katholischen Kirche gehe im Moment viel Energie in die Lösung der selbstgemachten Verfassungskrise.
Söding ist Seniorprofessor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum, zudem Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Mitglied im Synodalen Ausschuss, dem Folgegremium des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland, und theologischer Berater der Weltsynode im Vatikan. Kürzlich erschien sein Buch Gottesreich und Menschenmacht- Politische Ethik des Neuen Testaments .
Söding führte aus: Religion muss immer privat sein können, sie ist aber immer auch öffentlich. Hierzulande werden die Kirchen kleiner, sind aber immer noch die mit Abstand größten Organisationen.
Als peinlich bezeichnete der Theologe das Politisieren von der Kanzel herab- mit viel Meinung, aber ohne hinreichenden Sachverstand und ohne Sinn für politische Abwägungsprozesse.
Die Frage, in welchem Verhältnis Religion und Politik zueinander stehen, ist laut Söding zurück auf der Weltbühne. Der flammende Fanatismus erschreckt, die Friedensapostel auf leisen Sohlen werden oft übersehen. Selbst in Deutschland, das seine Lektion hätte gelernt haben sollen, ist die Demokratie gefährdet.
Die Demokratie lebe aber von ethischen Ressourcen, die alles andere als selbstverständlich seien. Sie braucht auch vitale Religion. Nur so wird klar, dass Politik nur Politik ist und sich auf das konzentrieren darf, was sie kann und soll: Gerechtigkeit in Frieden und Freiheit zu fördern. Söding fügte hinzu: Das Christentum hat eine Bringschuld, den Zusammenhalt, aber auch die Offenheit der Gesellschaft zu fördern. Das Neue Testament gibt die Impulse.
Schlüsselbegriffe zur aktuellen Debatte in der Migrationspolitik - Von Asyl bis Zurückweisungen
Von Joachim Heinz und Katrin Gänsler (KNA)
Asyl- was heißt das eigentlich und was sagen die aktuellen Statistiken?
Asyl ist in Deutschland ein von der Verfassung geschütztes Recht, heißt es auf der Homepage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Menschen, die aus anderen Teilen der Welt vor Gewalt, Krieg und Terror fliehen, sollen hierzu lande Schutz finden. Im August registrierte das Bundesamt 18.427 Erstanträge. Das entspricht einem Rückgang um 33,6 Prozent im Vergleich zum August 2023. Der Trend ist seit mehreren Monaten schon rückläufig. Dass Deutschland die Kontrolle über die Migration verliert, lässt sich zumindest anhand dieser Zahlen nicht belegen.
Was ist das Besondere an Grenzkontrollen im Schengen-Raum?
Dem Schengen-Raum gehören derzeit 29 Länder an: 25 der 27 EU-Mitgliedstaaten, dazu Island, Liechtenstein, Nor wegen und die Schweiz. Sie haben sich darauf verständigt, an ihren Binnengrenzen keine Kontrollen mehr durchzuführen. Das 1985 von Frankreich, Deutschland, Belgien, den Nieder landen und Luxemburg begonnene Projekt gehört inzwischen laut Europäischem Rat zu den wichtigsten Errungenschaften des europäischen Aufbauwerks. Nur in Ausnahmefällen können Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Das war zum Beispiel während der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022 der Fall.
Wie laufen die am Montag gestarteten Kontrollen an Deutschlands Grenzen ab?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach im Vorfeld von smarten Kontrollen, um die sogenannte irreguläre Migration einzudämmen, sowie Schleuser, andere Kriminelle und Islamisten zu stoppen. In der Praxis nimmt die Bundespolizei an der insgesamt rund 3.900 Kilometer langen deutschen Grenze stichprobenartige Kontrollen vor. Alles andere sei gar nicht möglich, hieß es vonseiten der Gewerkschaft der Polizei.
Was verbirgt sich hinter den Begriffen Zurückweisung und Dublin-Verfahren?
Bei Zurückweisungen werden Menschen an der Grenze daran gehindert, diese zu überqueren. Das ist möglich bei Personen, die keine Papiere bei sich führen beziehungsweise gefälschte Dokumente vorlegen oder gegen die eine Einreisesperre vorliegt. Eine Zurückschiebung findet statt, wenn Ausländer bereits unerlaubt die Grenze passiert haben. Im ersten Halbjahr 2024 hat die Bundespolizei etwa 17.000 Menschen an den Grenzen zurückgewiesen. Etwa 1.400 Menschen wurden zurückgeschoben.
Wer Asyl beantragen will, darf nicht zurückgewiesen werden.
Bei der Registrierung prüfen die Behörden allerdings, ob die betreffende Person schon in einem anderen EU Mitgliedstaat oder in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.
Dieses Verfahren ist durch die Dublin-III Verordnung geregelt. Das Dublin-Verfahren soll verhindern, dass eine Person mehrfach einen Asylantrag stellt, und klären, welches Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Üblicherweise handelt es sich um das Vertragsland, das der Geflüchtete zuerst betreten hat. Aktuell fordern einige Politiker, eine Zurückweisung auch bei sogenannten Dublin-Fällen. Kritiker halten das mit europäischem Recht nicht für vereinbar. Befürworter argumentieren damit, dass das gesamte Dublin-System ohnehin gescheitert sei.
Abgesehen davon steht die Frage im Raum, wer die an der Grenze zurückgewiesenen Menschen aufnimmt.
Am Wochenende wurde Österreichs Innenminister Gerhard Karner mit den Worten zitiert: Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden.
Was bewirken die verschärften Grenzkontrollen?
Ob die Maßnahmen tatsächlich einen Effekt haben, darüber streiten die Experten. Davon unabhängig gab es schon vor Montag Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. An der deutsch-französischen Grenze wurden sie am 7. Juni mit dem Start der Fußball Europameisterschaft in Deutschland eingeführt und für die Olympischen Spiele in Paris verlängert.
Skeptisch äußerte sich der österreichische Migrationsforscher Gerald Knaus. In Österreich oder Frankreich gebe es trotz verstärkter Kontrollen mehr Asylanträge und nicht weniger. Knaus schlug stattdessen vor, die Bearbeitung von wenig aussichtsreichen Asylanträgen in Deutschland zu beschleunigen. Außerdem müsse man auf die Transitländer- wie etwa die Türkei- zugehen und mit diesen Vereinbarungen treten.
Was sind Rückführungen?
Unter Rückführung oder Abschiebung versteht man die erzwungene Rückkehr ausländischer Staatsangehöriger in ihr Herkunftsland, wenn sie kein Recht mehr haben, länger in Deutschland zu bleiben.
Im ersten Halbjahr 2024 wurden 9.465 Personen aus Deutschland abgeschoben- rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zugleich wurden 3.043 Personen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in ein anderes EU-Land überstellt.
Wozu schließt Deutschland Migrationsabkommen ab?
Ziel der Ampelkoalition ist es, irreguläre Migration zu reduzieren und reguläre Migration zu ermöglichen. Dafür entstand 2023 das Amt des Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen. Es wird von dem FDP-Politiker Joachim Stamp bekleidet.
Zuletzt wurden Migrationsabkommen mit Kenia und Usbekistan abgeschlossen. Darin werden beispielsweise Visa-Erleichterungen festgelegt, die Schaffung von Qualifizierungsmaßnahmen für den deutschen Arbeitsmarkt und die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zentral ist außerdem, dass Länder abgelehnte Asylbewerber wieder aufnehmen.
Bringen die Abkommen einen grundlegenden Wandel in Sachen Migration?
Migration ist komplex und hat beispielsweise in Teilen Afrikas eine lange Tradition. Abkommen schaffen keine Arbeitsplätze in den Partnerländern. Dazu wäre zunächst eine Verbesserung der Infrastruktur sowie eine Industrialisierung notwendig. Auch verlassen junge Menschen aufgrund der politischen Situation, mangelnder Teilhabe und zunehmend autoritär werdenden Regierungen ihre Heimat.
3 Jahre Machtübernahme Taliban in AFG
UN: Afghanische Frauen in Aufnahmeprogrammen berücksichtigen Die Taliban sind wieder an der Macht- seit ziemlich genau drei Jahren. Vor allem für Frauen und Mädchen stellt das gravierende Rückschritte dar, so UN Women. Die Organisation appelliert daher an die Bundesregierung.
KNA
Drei Jahre nach der erneuten Machtübernahme der Taliban in Afghanistan fordert die Organisation UN Women die Bundesregierung auf, speziell auch Frauen bei entsprechenden Aufnahmeprogrammen zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für Personen, die Menschenrechte verteidigten, erklärte UN Women Deutschland am Mittwoch in Bonn.
Für Frauen und Mädchen haben seit der Machtübernahme der Taliban grundlegende Rechte keine Gültigkeit mehr. Durch eine Vielzahl strikter Vorschriften werden Frauen und Mädchen praktisch vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und ihrer Zukunftschancen beraubt , erklärte die Vorsitzende Elke Ferner.
Jahrzehntelange Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter sind nach Angaben der Organisation innerhalb von weniger als drei Jahren zunichte gemacht worden. Mehr als 70 Dekrete, Richtlinien, Erklärungen und Maßnahmen richteten sich gegen die Rechte, das Leben und den Körper afghanischer Frauen und Mädchen. Berichte über Suizidversuche von Frauen und Mädchen nähmen zu. Die Rückschritte wirkten sich negativ auf alle Bereiche der Gesellschaft und Volkswirtschaft aus. Afghanische Frau en hätten wenig bis keinen Einfluss auf Entscheidungen, die ihr Leben beträfen. Daten von UN Women zeigten, dass nur ein Prozent der Frauen das Gefühl habe, in ihrer Gemeinde Einfluss nehmen zu können. 18 Prozent hätten sich in den vergangenen drei Monaten kein Mal mit Frauen außerhalb ihrer unmittelbaren Familie getroffen.
Raumfahrt-Psychologin rät: Im Alltag das Staunen üben
Viele Menschen vermissen das Gefühl von Gelassenheit und Zusammengehörigkeit. Beides kann mit bestimmten Übungen gestärkt werden. Eine Psychologin hat einen Tipp.
KNA
Durch das Hamsterrad des Alltags kommt vielen Menschen die Fähigkeit zum Staunen abhanden: Das beobachtet die Psychologin Alexandra de Carvalho. Dabei kann einem das Staunen die Sorge um die eigene Wichtigkeit nehmen- und das wiederum kann total entspannen. Neben ihrer psychotherapeutischen Arbeit im Ruhrgebiet begleitet de Carvalho auch so genannte Analog-Missionen, also Testläufe auf der Erde für Raummissionen. Soeben hat sie darüber das Buch Mission Fühlen veröffentlicht. Das Ziel sei nicht, sich selbst als klein und unbedeutend zu erleben, sagte die Autorin. Es geht eher darum, mich als Teil einer Umgebung wahrzunehmen, flexibler zu denken und ab und zu etwas Neues auszuprobieren. Konkret trainieren lasse sich diese Fähigkeit etwa in der Natur. Einfach mal eine halbe Stunde spazieren gehen, ohne Handy und ohne irgendwas in den Ohren, und die Bäume, Felder, Wiesen genau betrachten. Eine weitere Möglichkeit sei, einem anderen Menschen gezielt Fragen zu stellen und zuzuhören. Das kann dazu führen, dass ich mein Gegenüber bewusster wahrnehme und schätze, was dieser Mensch für eine Lebensleistung mitbringt, dass er hier und heute mit mir spricht.
Lesetipp: Alexandra de Carvalho: Mission Fühlen. Was wir von der Weltraumpsychologie für unseren Alltag lernen können, Verlag S. Fischer, Frankfurt a.M. 2024, 256 Seiten, 18 Euro
Kirchenexpertin: Ukraine und Vatikan entfremden sich
Katholische Geistliche wurden ebenso wie Gläubige in Russland unterdrückt. Dennoch habe der Vatikan weggeschaut, sagt Kirchenexpertin Elsner. Das verschärft den aktuellen Konflikt zwischen Vatikan und Ukraine.
KNA
Die Ukraine und der Vatikan entfremden sich nach Einschätzung von Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster, zu nehmend. Auch werde Rom nicht mehr als glaubwürdige Autorität akzeptiert , sagte die Kirchenexpertin am Mittwoch dem Internetportal domradio.de. Hintergrund ist eine Debatte um ein Gesetz in der Ukraine, das Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende unterzeichnet hatte. Es ermöglicht Gerichten, neun Monate nach Inkrafttreten Gemeinden und andere Kirchenstrukturen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) einzeln zu verbieten, wenn sie mit Russland verbunden sind oder die Ideologie der Russischen Welt verbreiten. Es hatte eine internationale Debatte um Religionsfreiheit ausgelöst.
Auch Papst Franziskus hatte sich besorgt um die Religionsfreiheit in der Ukraine gezeigt. Er sagte: Beten ist kein Verbrechen. Menschen dürften selbst entscheiden, in welcher Kirche sie beten wollen. Kirchen sind unantastbar, so der Papst weiter.
Zwei Tage später kritisierte ukrainische Präsident in der Hauptstadt Kiew vor Journalisten, Moskau beeinflusse in Europa verschiedene religiöse Institutionen. Selenskyj sagte aber auch, dass die Verbindung zum Vatikan nicht verloren gehen dürfe.
Nach Einschätzung von Kirchenexpertin Elsner sei der Vorwurf der russischen Einflussnahme nachvollziehbar. Russland und die russisch-orthodoxe Kirche haben seit vielen Jahren das Thema Religionsfreiheit international besetzt und dafür auch die ökumenischen Beziehungen benutzt. Gemeinsam mit dem Vatikan habe man sich als die einzigen Verteidiger der Religionsfreiheit weltweit positioniert. Gleichzeitig gehöre Russland zu den größten Gefährdern der Religionsfreiheit sowohl im eigenen Land als auch in den besetzten Gebieten der Ukraine, im Donbass und auf der Krim, so die Professorin weiter. Dazu hat der Vatikan immer geschwiegen, sogar wenn katholische Priester oder Gläubige unterdrückt wurden. Aber auch zu den anderen Menschen rechtsverbrechen Russlands war der Vatikan still.
632 junge Leute für Freiwilligendienste im Heiligen Jahr gesucht
Für das große Jubiläum der katholischen Kirche werden 2025 viele Helfer benötigt. Wer mit anpacken will und zwischen 18 und 28 ist, kann ein spannendes Jahr in Rom erleben- und bekommt gut 500 Euro im Monat.
KNA
Für das Heilige Jahr werden 632 junge Menschen gesucht, die in Rom und Umgebung Freiwilligendienste über nehmen. Wer beim Empfang der über 30 Millionen Pilger helfen will, sie zu Museen, Konzerten oder Kirchen begleiten sowie Familien oder Menschen mit Behinderung unterstützen möchte, kann sich bis 26. September bewerben. Das teilte die für Freiwilligendienste zuständige Behörde der italienischen Regierung mit.
Für wöchentlich 25 Arbeitsstunden gibt es demnach 507,30 Euro pro Monat.
Bewerber müssen zwischen 18 und 28 sein, aus Italien oder einem anderen EU-Mitgliedsland stammen oder in Italien leben.
Die Caritas Italien übernimmt auch die Organisation der Volontärsstellen für das sogenannte Giubileo. Die vom italienischen Staat aus geschriebenen Freiwilligendienste werden vom Dipartimento delle Politiche Giovanili e del Servizio Civile Universale organisiert.
Weiterführender Link: Digitaler Zivildienst und Jubiläum. Die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen - Caritas Italiana
Kauder warnt vor Gefahren für die weltweite Religionsfreiheit
Schon als Unionsfraktionschef war ihm das Thema Religionsfreiheit besonders wichtig. Und auch nach seinem Rückzug aus der Politik und nach seinem 75. Geburtstag am Montag engagiert sich Volker Kauder bei dem Thema weiter.
KNA
Der langjährige Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, sorgt sich um die Religionsfreiheit weltweit. Das völkerrechtlich verankerte Menschenrecht gerate immer stärker in Gefahr, beklagte er anlässlich seines 75. Geburtstags am Montag.
Insbesondere habe die Zahl der verfolgten Christen in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen: Von den rund 2,5 Milliarden Christen werden etwa 300 Millionen verfolgt; der Schwerpunkt liegt in China. Aber auch im mehrheitlich hinduistischen Indien sähen sich Christen immer stärkerer Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt, fügte er hinzu.
Doch nicht nur im Ausland werde die Religionsfreiheit in Frage gestellt. Auch in Deutschland erlebe er zunehmend Intoleranz: Den Menschen fällt es bei uns zum Teil schon schwer, zu akzeptieren, dass Religionsfreiheit auch bedeutet, den Bau von Moscheen in Deutschland zu erlauben.
Besorgt blickt Kauder auch in die islamische Welt. Dort gelte nach wie vor, dass es nur eine wahre Religion gebe, den Islam: Der Übertritt aus dem Islam ins Christentum oder in eine andere Religion ist nicht erlaubt. In einigen Ländern ist der Übertritt sogar mit Todesstrafe belegt. Für den Fall, dass die Fußball-WM 2034 in Saudi-Arabien ausgetragen werde, erwartet Kauder, dass Christen dort ihre religiösen Zeichen zeigen dürfen: Und dann wird man sehen, wie ernsthaft das Thema Religionsfreiheit dort behandelt wird.
Sommerzeit – Zeit, Dinge einmal auszuprobieren. Wie wäre es, mit einem Besuch in einer Moschee, einer Synagoge oder der Teilnahme an einem interreligiösen Fest?
Unser Tipp:
Fast alle Akademien der Bistümer, aber auch viele Moscheevereine und jüdische Gemeinden laden immer wieder zum gegenseitigen Kennenlernen ein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Hingehen, neugierig sein, Fragen stellen, Menschen kennenlernen – ins Gespräch kommt man ganz von alleine. Und: Es lohnt sich!
Und außerdem:
Fachleute fordern mehr Einsatz für interreligiöse Gespräche
Es können private Einladungen zum Essen sein. Aber auch organisierte Formate machen es möglich, dass sich Juden, Christen und Muslime begegnen. Über die Rolle von Kirchen und Staat dabei wurde jetzt in Bonn gesprochen.
Bonn (KNA)
Kirchen und Staat müssen sich Fachleuten zufolge stärker für Begegnungen von Juden, Christen und Muslimen engagieren. Nötig seien mehr Räume für Gespräche von Angehörigen dieser abrahamitischen Religionen, sagte Andreas Herrmann, Referent für interreligiösen Dialog der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Die Kirchen müssten selbstkritisch feststellen, dass sie in der Vergangenheit zu sehr in christlich-jüdischen beziehungsweise christlich-islamischen Dialogformaten gedacht und gehandelt hätten - anstatt alle drei Religionen zusammenzubringen. Jede Religion muss die Frage für sich beantworten, welchen Beitrag sie über ihre Religion hinaus in die Gesellschaft hineintragen kann, betonte der Oberkirchenrat. Alle Religionen sollten darauf Antworten suchen und finden. Herrmann verwies auf den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 und den folgenden Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen. Seitdem habe sich die Situation zugespitzt, und man stehe vor kaum für möglich gehaltenen Herausforderungen.
Herrmann äußerte sich zum Auftakt der AnnemarieSchimmel-Lectures der Universität Bonn. Charlotte Elisheva Fonrobert, Professorin für Jüdische Studien und Religionswissenschaften an der Stanford University sagte, dass Staat und Kirchen immer wieder Juden, Christen und Muslime miteinander ins Gespräch bringen sollten. Das sei auch ein Ansatz im Vorgehen gegen Antisemitismus. Allerdings gestalte sich der Dialog auf vielen Ebenen zunehmend schwierig. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Ansichten nicht im Gespräch blieben, mache sich allgemeine Hoffnungslosigkeit breit, betonte Fonrobert. Es sei wichtig, aus eigenen Echokammern herauszukommen, um mögliche Stereotype zu überwinden. Dazu könnten auch private Initiativen wie zum Beispiel Einladungen zu Schabbatessen beitragen.
Unser Tipp:
Fast alle Akademien der Bistümer, aber auch viele Moscheevereine und jüdische Gemeinden laden immer wieder zum gegenseitigen Kennenlernen ein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Hingehen, neugierig sein, Fragen stellen, Menschen kennenlernen – ins Gespräch kommt man ganz von alleine. Und: Es lohnt sich!
Theologin Polak: Bibel erzählt viel von Migration
Die Bibel als migrantische Erzählung - für diese Perspektive wirbt die Wiener Theologin Regina Polak. Aber welche Anstöße können die alten religiösen Texte für die Migrationsdebatte heute geben?
Freiburg (KNA)
Für die Wiener Theologin Regina Polak erzählt die Bibel kaum Heldengeschichten, aber viel von Flucht und Vertreibung. Viele Erzählungen, Gebete und Rechtstexte im Alten und Neuen Testament berichten von Menschen, die fliehen müssen, verfolgt sind, zu Opfern werden und dann durch die Zusage Gottes ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen und ihr Leben in die Hand nehmen, sagte Polak in der Katholischen Akademie Freiburg.
Der christliche Glaube hat eine Migrations-Matrix. Zum Glauben gehört auch das Aufbrechen, das auf dem Weg sein - davon erzählt die Bibel. Schon die biblische Schöpfungsgeschichte berichte von der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, der danach fremd auf der Erde sei. Gleichzeitig geht es den biblischen Autoren laut Polak keineswegs darum, Migration und Vertreibung zu idealisieren oder zu verniedlichen.
Die Theologin rief dazu auf, die Bibel unter diesem Blickwinkel neu zu lesen. Dabei ließen sich zwar keine unmittelbaren rechtlichen oder politischen Handlungsempfehlungen für die Gegenwart ableiten. Dafür ist die historische Lücke viel zu groß.
Die biblischen Erzählungen kennen keine Nationalstaaten, keine Staatsangehörigkeit, keine Pässe. Christen könnten aber eine religiöse, migrantische Wahrnehmungsperspektive in die aktuellen Debatten um Migration und Asyl einbringen, sagte Polak. Beispielsweise seien viele biblische Geschichten von der Gewissheit getragen, dass die Erde keinem Menschen gehöre, sondern Fremde und Ansässige gleiche Besitzansprüche haben.
Lange Namenslisten im Alten Testament seien Ausdruck der Überzeugung, dass jeder Mensch einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte hat. Das war eine Revolution.