Sturm kommt auf - ZDF-Zweiteiler über das Aufkommen des Nationalsozialismus
Wie eine Dorfgemeinschaft zerfällt und wie der Faschismus in die bayerischen Dörfer kam: Davon erzählen 180 spannende, anrührende und präzise in Szene gesetzten Filmminuten nach einem Roman von Oskar Maria Graf.
Von Katharina Zeckau (KNA) Mainz (KNA)
Sich nicht einlassen oder einmischen, weder für noch gegen jemanden sein, nichts von anderen wollen, aber auch niemandem ein Unrecht tun, sich raushalten: Das ist die Devise des Schusters, wie er in leichten Variationen immer wieder erklärt. Dieser Kraus ist der Friedfertige in Oskar Maria Grafs Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“ von 1947, den Drehbuchautorin Hannah Hollinger und Regisseur Matti Geschonneck nun fürs Fernsehen adaptiert haben.
Der Zeitpunkt scheint leider recht passend, erzählt der Zweiteiler „Sturm kommt auf“ doch davon, wie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Gift des Faschismus in eine (Dorf-)Gemeinschaft einsickert.
Das ZDF strahlt die zwei 90-Minüter am 10. November zwischen 20.15 und 21.45 Uhr sowie 22.00 und 23.30 Uhr aus.
Das, was der Schuster ablehnt, nennt er mit einem wohl selbst erfundenen Wort A-bopa: Damit meint man alles, was einem rechtschaffenen Menschen das Leben verbittern kann... Mit einem Wort, die ganzen Widerwärtigkeiten vom Staat, von den Ämtern, vom Gericht und der Polizei- das ist A-bopa... Auf so was muss man sich nicht einlassen, so erklärt er es im Roman der sonntäglichen Dorfrunde. Und klingt dabei fast ein wenig wie ein heutiger Staatsverweigerer, Reichsbürger oder ähnlich Verirrter. Doch im Unterschied zu diesen hat der Schuster bereits mit tödlicher Konsequenz am Leib seiner eigenen Familie erlebt, wie Vertreter einer- wohlgemerkt autoritären und undemokratischen- Staatlichkeit sowie eine entsprechend sozialisierte Gesellschaft mit Minderheiten umgehen.
Allzu lange kann der Kraus, hervorragend gespielt vom österreichischen Kabarettisten und Schauspieler Josef Hader, das mit dem Sich-Raushalten ohnehin nicht durchhalten: Die Unruhe der Zeitläufte zwischen Erstem Weltkrieg und der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist letztlich einfach stärker. Ebenso wie das Gift der politischen Debatten, die jegliches Maß verloren haben: Es verschont kaum eine zwischenmenschliche Beziehung und fällt bei durch existenzielle Not, finanzielle Sorgen, Kriegstraumata, Propaganda oder Service auch einfach Gier verhärteten Menschen auf empfänglichen Boden. Sturm kommt auf erzählt davon, wie eine keineswegs konfliktfreie, aber funktionierende Dorfgemeinschaft zerfällt.
