Vor 75 Jahren tagte auf Herrenchiemsee der Verfassungskonvent - Die bayerische Wiege des Grundgesetzes

Drei Zigarren und eine Maß Bier standen jedem der Experten pro Tag zu, als sie vor 75 Jahren auf Herrenchiemsee die Grundlagen für das Grundgesetz schufen.

Von Barbara Just (KNA)


Der Auftrag kam von den Alliierten in den westdeutschen Besatzungszonen: Die USA, Großbritannien und Frankreich forderten im Juli 1948 die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf, eine Verfassung auszuarbeiten. Hans Ehard (CSU) aus Bayern ergriff die Initiative und schlug einen besonders ruhigen Ort vor, um mit Experten eine Vorlage für den geplanten Parlamentarischen Rat zu schaffen: die Herreninsel im Chiemsee. Nicht nur mit der traumhaften Lage im Voralpenland lockte er die Kollegen, sondern auch mit dem Hinweis, dass es dort nur zwei Telefone gebe - Diskretion wäre gewährleistet und der Einfluss der Parteien minimiert.

Das Angebot stieß auf Wohlwollen. So reisten vom 10. bis 23. August 1948 rund 30 Länderbevollmächtigte und Experten ins Chiemgau. 13 Tage und Nächte diskutierten sie intensiv, wie eine Verfassung für das künftige Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aussehen sollte. Die Sitzungen wurden beizeiten unterbrochen, um sich die Füße zu vertreten. Beim Spazieren über die weitläufige Insel ergab sich die Möglichkeit, in einer kleinen Gruppe Fachfragen weiter zu erörtern. Manche der Herren hatten ihre Ehefrauen und Kinder mitgebracht. Zur positiven Atmosphäre dürfte auch beigetragen haben, dass jeder Teilnehmer pro Tag das Anrecht auf drei Zigarren oder zwölf Zigaretten hatte. Zum Trinken waren eine halbe Flasche Wein oder ein Liter Bier zugesagt.


(Bitte Bild Kloster einfügen) Als Tagungsort diente nicht das von Ludwig II. (1845- 1886) nach dem Vorbild von Versailles errichtete Schloss, sondern das alte Augustiner-Chorherrenstift. In jenem Zimmer, wo der König einst zu speisen pflegte, als er die Arbeiten am Neubau verfolgte, saßen nun Staatsrechtler wie Carlo Schmid und Theodor Maunz. Sie brachten in großer Runde ihr Fachwissen ein. Die als Gastgeber fungierenden Bayern hatten eine Vorlage erarbeitet, in der Hoffnung, damit den Konvent gleich zu Beginn in die entsprechende Richtung treiben zu können. Eine der prägenden Persönlichkeiten war der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Anton Pfeifer. Pfeiffer vertrat eine föderalistische Politik auf katholischer Grundlage. Die Experten beschäftigten sich mit den Grundrechten, der Rolle des Föderalismus und dem Schutz des Regierungssystems vor antidemokratischen Angriffen. Zentrale Fragen, die heute wieder aktuell sind.

Am Ende des Treffens 1948 stand ein 93-seitiger Bericht, der dem Parlamentarischen Rat zugeleitet wurde. Angesichts der drohenden Spaltung Deutschlands in West und Ost schlugen die Experten den Begriff „Grundgesetz“ vor, um alle Möglichkeiten einer späteren Vereinigung offen zu halten.

Und wer mehr wissen will, der wird hier fündig:
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Verfassungskonvent_von_Herrenchiemsee,_10.-23._August_1948#Das_Ergebnis_des_Verfassungskonvents

Und wer es genau wissen will: Hier der Entwurf als Text https://www.verfassungen.de/de49/chiemseerentwurf48.htm

 

News der Katholischen Nachrichten-Agentur

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