Historischer Israel-Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt 1973


Als Willy Brandt vor 50 Jahren - am 7. Juni 1973 - in Tel Aviv aus dem Flugzeug stieg, schrieb er Geschichte. Als erster deutscher Regierungschef besuchte er Israel und brachte die Beziehungen beider Länder voran.

Von Andrea Krogmann (KNA)

Kein Kniefall wie im Warschauer Ghetto, aber doch ähnlich bewegend war die Geste, die Willy Brandt (SPD) für seinen Besuch in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wählte. „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“, las er bei einer Gedenkfeier für sechs Millionen im Holocaust ermordete Juden aus Psalm 103.

Vom 7. bis 11. Juni 1973 besuchte Brandt als erster deutscher Regierungschef Israel - wenige Jahre zuvor noch undenkbar. Beinahe wäre er nicht gekommen. Die Freilassung der überlebenden drei Terroristen des Münchner Olympia-Anschlags am 5. September 1972 nach einer erneuten Flugzeugentführung hatte für scharfe israelische Kritik gesorgt. Brandt soll seine Besuchspläne daraufhin fallen gelassen haben, berichtete die jüdische Nachrichtenagentur JTA im Januar 1973. Schon 1969 hatte Brandt den Unmut der israelischen Öffentlichkeit auf sich gezogen, als er Israel in seiner Regierungserklärung nicht erwähnte. Im Januar 1973 holte er das nach. Das Existenzrecht Israels sei für Deutschland unanfechtbar, sagte er in einer Erklärung vor dem Bundestag. Ein paar Monate später stieg er auf dem Flughafen Ben Gurion aus einer Maschine der Luftwaffe, während israelische Soldaten die deutsche Nationalhymne spielten. Der Protest, die Brandt in seinen Tagen in Israel begleitete, war milder als befürchtet. Der Friedensnobelpreisträger, der sich 1933 ins norwegische Exil begeben und dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten angeschlossen hatte, wurde als vehementer Nazigegner geschätzt. Früh sprach er sich für Kontakte zu Israel aus, besuchte selbst als Regierender Bürgermeister von Berlin 1960 erstmals das Land und dessen Außenministerin und spätere Ministerpräsidentin Golda Meir. Bei seinem Besuch als Kanzler stand vor allem der Nahostkonflikt im Fokus, wie Brandt zum Abschluss seiner Reise erklärte. Dass er mit seiner Amtskollegin Meir dabei nicht immer auf gleicher Wellenlänge lag, konnten auch die freundschaftlichen Beziehungen und die gemeinsame Sympathie für die Idee eines demokratischen Sozialismus nicht verbergen. Vor allem die Wiederaufnahme der Beziehungen Deutschlands zu den arabischen Staaten und die deutsche Idee einer ausgewogenen Nahostpolitik bereiteten Israel Bauchschmerzen. Beinahe wäre er nicht wieder zurückgekommen. Ein Hubschrauber, der Brandt zur Festung Masada bringen sollte, trieb in einer Windböe ab und kam erst kurz vor der Klippe zum Stehen. Nach seiner Rückkehr bezeichnete Brandt das Freundschaftsangebot Meirs an Deutschland als Ereignis von geistiger und moralischer Dramatik. Während sich das Spezifische im Verhältnis der Deutschen zu Israel und den Juden durch keine Macht der Welt auslöschen lasse, müssten die diplomatischen Beziehungen beider Länder normal sein, nur eben mit einem besonderen Charakter. Ja zur Bereitschaft Deutschlands, zum Frieden Israels mit seinen arabischen Nachbarn beizutragen, aber ein klares Nein zu einer aktiven Vermittlerrolle, so die Haltung Brandts. Den deutsch-israelischen Beziehungen hat der Besuch einen Schub verliehen. Nur im Konflikt, dessen friedliche und verhandelte Lösung nach des Kanzlers wiederholtem Bekunden deutsches Interesse sei, waren die Fronten im Frühjahr 1973 verhärtet. Die Spannungen entluden sich im JomKippur-Krieg im Oktober des Jahres - der letztlich Meir ihre politische Karriere kostete. Erst Jahre später wurde bekannt, dass Brandt Israel mit einer Lieferung kriegswichtigen Geräts unterstützt und auch US-amerikanische Waffenlieferungen an Israel über deutsches Territorium geduldet hatte. Willy Brandt trat am 5. Mai 1974 wegen einer Spionageaffäre zurück. Es sollte sein einziger Besuch als Kanzler in Israel bleiben, dem jedoch Besuche fast aller späteren Kanzlerinnen folgten. Am 2. März 2022 stand Brandts jüngster Nachfolger Olaf Scholz in Yad Vashem und betonte, Deutschland werde auch weiterhin fest an der Seite Israels stehen.

 

News der Katholischen Nachrichten-Agentur

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